Wasserhaushalt in der Stadt: Den Wald als Vorbild nehmen
CCCA Factsheet #33 Naturnaher urbaner Wasserhaushalt

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Lesedauer 4 Minuten.   

Autor innen: Daniela Fuchs-Hanusch (TU Graz), Martin Regelsberger (Technisches Büro für Kulturtechnik), Katharina Schwarzfurtner und Lisa Waldschütz (Universität für Bodenkultur Wien)

Begutachtet von: Isabel Auer und Magdalena Holzer (Weatherpark), Carina Brachner (Technische Universität Wien)

Hitzetage nehmen in Österreich seit den 1980er Jahren stetig zu [1]. Von Hitze sind Siedlungen besonders betroffen. Hohe Bebauungsdichten mit wärmeabsorbierenden Oberflächen und hohem Versiegelungsgrad führen zu sogenannten urbanen Hitzeinseln. Die Hitzebelastung wird sich in Zukunft aufgrund der globalen Erwärmung, fortschreitender Versiegelung und durch den Verlust von aktivem Boden, sowie dessen Wasserspeicherfähigkeit, noch weiter verschärfen [2].

Während in der Stadtplanung das Hauptaugenmerk bei Regenwasser in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich auf dessen Ableitung gelegt wurde, zeigt sich aktuell ein Bewusstseinswandel. Versickerung wird vermehrt als weitere Möglichkeit der Stadtentwässerung mitgedacht. Die gezielte Verdunstung mit entsprechenden Einrichtungen spielte bisher keine Rolle. Der urbane Wasserhaushalt zeichnet sich durch das großflächige und rasche Abfließen des Niederschlags an der Oberfläche und im Kanal und der sich daraus ergebenden geringen Verdunstung und geringen Versickerung aus (Abb. 1, linke Grafik). Um in Zukunft die Kühlung durch verdunstendes Wasser an heißen Sommertagen nutzen zu können, sollte der urbane einem naturnahen Wasserhaushalt angenähert werden. Bei letzterem ist der Oberflächenabfluss weitaus geringer als der Anteil des Niederschlags welcher über Pflanzen verdunstet oder versickert und zur Grundwasserneubildung führt (Abb. 1, rechte Grafik). Dafür braucht es Speichermöglichkeiten, wie Boden oder bodenähnliche Substrate mit Pflanzen oder auch offene Wasserflächen und Feuchtbiotope, von denen Wasser verdunsten kann.

Abbildung 1: Urbaner (links) und natürlicher (rechts) Wasserhaushalt (nach Gößner, 2020)

Siedlungsgrün

Eine wichtige Anpassungsmaßnahme an die zunehmende Hitzebelastung in Siedlungsräumen ist daher der Erhalt und Ausbau von unversiegelten, begrünten Flächen auf wasserspeicherndem Bodensubstrat. Neben klassischen Park- und Wiesenflächen, Baum- und Strauchpflanzungen, Balkon- und Innenhofbegrünung werden nun vermehrt auch Dach- und Fassadenbegrünungen, urbane Gärten (Urban Farming, Community Gardens), Wasser aufnehmende Baumscheiben und Straßenbahn-Haltestellen, Regengärten und begrünte Versickerungsbauwerke, Grüngleise und Schotterrasenparkplätze etabliert. Diese Vegetationsflächen und Grünräume haben eine Reihe positiver Auswirkungen auf Siedlungsräume. Die Bewohnerinnen profitieren nicht nur von der Kühlung (Abb. 2), sondern auch von der Sauerstoffproduktion, sowie von der Bindung, dem Rückhalt und der Filterung von Schadstoffen. Ebenso hat städtisches Grün eine soziale Wirkung [3], etwa als Aufenthaltsort im Freien, und wirkt erholungs- und gesundheitsfördernd. Solche städtischen Grünräume können bei entsprechender Beachtung dieses Aspekts auch Biodiversitätsinseln, nicht zuletzt für wichtige Bodenorganismen, sein. Sie verlangsamen auch den Regenabfluss, dämpfen damit urbane Sturzfluten und entlasten das Kanalnetz.

Siedlungsgrün und Wasserbedarf

Nicht nur wir Menschen leiden unter den vom Klimawandel verursachten zunehmend wärmeren und trockeneren Sommern, sowie den längeren Hitzeperioden [4], sondern auch viele Pflanzen. Steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster setzen Pflanzen zunehmend Trockenstress aus. Dieser bedingt in Folge den Verlust des erwünschten Kühleffekts während der heißesten Sommermonate durch geringere Verdunstung, vorzeitiges Welken der Blätter, sowie eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen, im Extremfall sogar das Absterben der Pflanzen.

Um dies zu verhindern, brauchen die Pflanzen immer ausreichend Wasser. Vorranging sollten die Pflanzen über den Niederschlag mit Wasser versorgt werden. Bewässerungskonzepte für Stadtgrün sollten an den jeweiligen Standort, die Pflanzenart/Vegetationsstruktur, die gewünschte Ökosystemleistung und das lokale Klima angepasst und individuell entwickelt werden. Auch die Auswahl der Pflanzen spielt eine Rolle, denn Pflanzen sind unterschiedlich effizient hinsichtlich der gewünschten Kühlung, Beschattung oder Entwässerung [5]. Ältere, großkronige und vitale Bäume erzielen eine deutlich bessere Kühlung und Beschattung als kleinere Bäume oder Sträucher.

Abbildung 2: Radweg ohne Bäume (links) und mit Bäumen (rechts), die Temperaturen unterscheiden sich deutlich (Fotos vom 31.7.2017, Gabriele Faller, Sigrid Schönfelder)

Während die Verdunstung von offenen Wasserflächen und Kulturpflanzen gut bekannt ist, ist dies für städtisches Grün nicht der Fall. Dieser Mangel steht derzeit noch einer konkreten Bemessung der grünen Infrastruktur im Wege, da Richtlinien für Planung, Ausführung und Betrieb natürlicher Verdunstungseinrichtungen in Form von städtischem Grün fehlen.

Zur zusätzlichen Bewässerung von Pflanzen wird in Österreich bisher fast ausschließlich Trinkwasser verwendet, welches nicht selten aus weit entfernten Quellen zugeleitet wird. Eine ausreichende Speicherung von Regenwasser, z. B. in dafür geeigneten Substraten, oder die Wiederverwendung von Wasser aus Bad und Küche, (Grauwasser) bietet die Möglichkeit in Trocken- und Hitzeperioden auf die Bewässerung mit Trinkwasser zu verzichten.

Naturnaher urbaner Wasserhaushalt

Ein Ziel der urbanen Regenwasserwirtschaft muss es daher sein, das Wasser möglichst nicht in den Kanal abzuleiten, sondern es vor Ort zu speichern. Nach Möglichkeit sollten dazu Boden, Grundwasser und Feuchtbiotope verwendet werden. Bodensubstrate zur Wasserspeicherung haben neben den Bedürfnissen von Pflanzen und Bodenlebewesen auch Reinigungsanforderungen sowie andere Nutzungen des urbanen Raums, wie Straßen, Rad- und Gehwege und unterirdische Einbauten, zu erfüllen. Um die Ressourcen effizienter nutzen und Kreise schließen zu können, wird in Zukunft die Trennung zwischen den einzelnen urbanen Wasserbereichen aufgelöst werden. So kann Regenwasser für gewisse häusliche Zwecke oder Grauwasser nach lokaler Reinigung für die Pflanzenbewässerung eingesetzt werden. Damit ist auch die Wasserversorgung von Pflanzen an warmen Tagen sichergestellt. Bei der (Weiter)Verwendung von Grauwasser ist zu bedenken, dass dieses in Mitteleuropa eine Temperatur um 35 °C hat. Diese Energie kann mit einem einfachen Wärmetauscher dafür genutzt werden, Warmwasser vorzuwärmen. Müssen Pumpen eingesetzt werden, sollte erneuerbare Energie verwendet werden.

Auch an die Kreislaufführung der im Abwasser bzw. den Ausscheidungen enthaltenen Nährstoffe und des Kohlenstoffs für die Pflanzenproduktion ist zu denken. Dies fördert neue Konzepte für die Produktion von Gemüse und Obst im urbanen Raum.

Damit wird auch deutlich, dass Nachhaltigkeit nicht auf einen Aspekt beschränkt werden kann, sondern nur mit einem integrierten Ansatz, der eine ganze Reihe SDGs einschließt, zu erreichen ist.

Hauptergebnisse

  • Ausweitung und Erhalt von Stadtgrün, insbesondere von älteren, großkronigen und vitalen Bäumen, ist essenziell für eine Kühlung der Stadt durch Beschattung und Verdunstung.
  • Die Bemessungsgrundlagen für urbanes Grün als Verdunstungseinrichtung fehlen und sollten zeitnah erstellt werden.
  • Boden, der eine Funktion als Wasser- und Biodiversitätsspeicher im städtischen Raum erfüllen kann, sollte erhalten bzw. wieder verfügbar gemacht und Grauwasser zur Pflanzenbewässerung eingesetzt werden.
  • Der Wasserhaushalt der Stadt sollte dem eines Waldes angenähert werden, indem Niederschlag gespeichert und später verdunstet und somit eine Kühlung der Umgebung ermöglicht wird.

Literatur

[1] Trimmel, H. et al. (2019). Thermal conditions during heat waves of a mid-European metropolis under consideration of climate change, urban development scenarios and resilience measures for the mid-21st century. Mete-orologische Zeitschrift, 91938. https://doi.org/10.1127/metz/2019/0966

[2] Umweltbundesamt. (2020). Flächeninanspruchnahme. https://www.um-weltbundesamt.at/umweltthemen/boden/flaecheninanspruchnahme

[3] Kondo, M. C., et al. (2018). Urban Green Space and Its Impact on Human Health. International Journal of Environmental Research and Public Health, 15(3), 445. https://doi.org/10.3390/ijerph15030445

[4] APCC (Hrsg.). (2014). Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14). Austrian Panel on Climate Change (APCC). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

[5] McCarthy, H. R., Pataki, D. E., & Jenerette, G. D. (2011). Plant water-use effi-ciency as a metric of urban ecosystem services. Ecological Applications, 21(8), 3115–3127. https://doi.org/10.1890/11-0048.1

[6] Gößner, D. (2020). Systemlösung zur Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes. https://www.pressebox.de/pressemitteilung/optigruen-international-ag/Systemloesung-zur-Wiederherstellung-des-natuerlichen-Wasserhaushaltes/boxid/1005197

Lizenz: CC BY-NC-SA
Ursprünglich veröffentlicht als CCCA Factsheet #33 „Naturnaher urbaner Wasserhaushalt“: https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/36_urbaner_wasserhaushalt_202202.pdf
Das CCCA (Climate Change Centre Austria) ist Anlaufstelle für Forschung, Politik, Medien und Öffentlichkeit für alle Fragen der Klimaforschung in Österreich.
Titelfoto: Manfred Richter via Pixabay

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