Gold, Kupfer, Lithium: Schmutzige Rohstoffe aus Osteuropa für den Green Deal?
von Theresa Neunteufl und Martin Auer

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Lesedauer 7 Minuten.   

Der Bedarf an erneuerbaren Energien nimmt Jahr für Jahr zu. 2020 beispielsweise hat der Anteil an erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung in der EU erstmals Kohle und Gas abgehängt.1 Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist das sehr erfreulich. Doch die Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung des Stroms benötigen Rohstoffe, ebenso wie die elektronischen Geräte, die die Digitalisierung der Wirtschaft ermöglichen sollen. Um den wachsenden Bedarf an diesen Rohstoffen zu decken, bedarf es einer enormen Steigerung des Abbaus. Genau diesen Bedarf versucht die Europäische Kommission nun zu decken. Laut dem Bericht des Central and Eastern European Bankwatch Network2: „Raw Deal“ vom Jänner 2021 passiert dies jedoch häufig unter Missachtung von fairen Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen und Artenschutz.

Batterie-Speicherkraftwerk Schwerin
Foto: Enyavar via Wikimedia CC BY-SA 4.0

Laut dem Europäischen Green Deal hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Damit verpflichtet sich die Europäische Kommission unter anderem auch dazu, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, also trotz wachsender Wirtschaft weniger Ressourcen zu verbrauchen.3 Blickt man jedoch hinter die Fassade der vielversprechenden Klimaziele, erkennt man schnell, dass hinter der Umsetzung oft global vernetzte ausbeuterische Prozesse stehen. Obwohl der Europäische Grüne Deal dem Aspekt der Nachhaltigkeit immer wieder große Bedeutung zumisst, hat die EU noch keinen konkreten Plan vorgelegt, ihre derzeitigen Bergbauprozesse zu überarbeiten. Bisher konnte kein zufriedenstellender gesamtheitlicher Lösungsansatz zum Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit präsentiert werden, sagt das Bankwatch Network in seinem Bericht.4

Digitalisierung ist die entscheidende Strategie des europäischen Green Deal

Um den im europäischen Green Deal festgelegten Zielen gerecht zu werden, sind neue Strategien vonnöten, die sicherstellen, dass in Zukunft nachhaltiger gewirtschaftet werden kann. Das wichtigste Werkzeug dafür ist die Digitalisierung, wie sie in der Europäischen Industriestrategie im März 2020 präsentiert wurde.5 Durch die Implementierung von beispielsweise Smart Housing, Teleworking, wie sie ebenfalls im Neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgesehen sind, oder durch den Einsatz elektrisch betriebener Fahrzeuge, verspricht man sich einen wichtigen Schritt Richtung Klimaneutralität.6

Smart Home
Foto: Sailer

Was bei diesem Ziel einer Energiewende jedoch oft außer Acht gelassen wird, ist die Notwendigkeit des Abbaus von Gold, Kupfer, Lithium und anderen kritischen Metallen. Viele dieser Metalle kommen vor allem in Ländern mit instabilem politischem Umfeld vor. Die Warenlieferketten, die hinter diesen Metallen stecken, sind oft undurchsichtig und unmöglich nachzuvollziehen. So liefern selbst die größten ICT (Information- & Communication Technology) Unternehmen nur sehr limitierte Informationen zu ihren Lieferketten. Vor allem zum Ursprung der Metalle gibt es die wenigsten Informationen. Der Bericht von Bankwatch nennt einige konkrete Beispiele aus Europa:

Kupfermine Bor, Serbien: Luftverschmutzung, Gesundheitsschädigung, Missachtung des Einspruchsrechts der Bevölkerung

Einer der Fälle, die der Bericht aufzählt, ist der Grubenkomplex Bor in Ostserbien. Serbien ist ein Kandidat für den Beitritt zur EU. In Bor befindet sich eines der größten Kupfervorkommen der Welt. Es wird von der chinesischen Firma Zijin Mining Group in Partnerschaft mit dem serbischen Staat ausgebeutet. Unter dem Deckmantel von „Vorbereitungsarbeiten“ können Firmen ohne die eigentlich vorgeschriebene Einwilligung der örtlichen Gemeinden und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung arbeiten. Besonders umstritten ist der Tagebau Veliki Krivelj. In den umliegenden Dörfern machen Lärm und Erschütterungen durch Explosionen, Staub und Wasserverschmutzung das Leben fast unmöglich. Die geplante Ausweitung der Mine bereitet der Bevölkerung große Sorgen. In der Stadt Bor wurden 2020 die Höchstwerte für Schwefeldioxid in der Luft an mehreren Tagen um das Fünffache überschritten, so dass die Bevölkerung aufgefordert werden musste, in den Häusern zu bleiben. Laut einer Studie des serbischen Instituts für Gesundheitswesen haben die Einwohner*innen von Bor ein deutlich höheres Risiko, an Krebs zu sterben.

Bor
Foto: Ist Media

Kupfer- und Goldminen in Bulgarien: Verstoß gegen Gewerkschaftsfreiheit, Umgehung von Arbeitnehmer*innenrechten, Gefahr durch Abraumschlamm

Das EU-Mitglied Bulgarien ist der drittgrößte Kupferproduzent und der viertgrößte Goldproduzent Europas. Eine Befragung unter Beschäftigten von drei Bergbauunternehmen (Asarel Medet, Aurubis und Chelopech Mining) ergab, dass die Unternehmen arbeitsrechtliche Vorschriften umgehen, indem sie Subunternehmen beauftragen. Die Beschäftigten der Subunternehmen bekommen oft weniger als die Hälfte des Lohns der regulär Beschäftigen. Die Unternehmen bezahlen ihnen keine Sozialversicherungsbeiträge und keinen Urlaub. Der Durchschnittslohn von regulär Beschäftigten beträgt € 800 bis € 1.160, der Durchschnittslohn von bei Subunternehmen Beschäftigten € 300 bis € 500. In den drei untersuchten Unternehmen gibt es keine unabhängigen, sondern nur von den Unternehmen kontrollierte Gewerkschaften. Die Beschäftigten müssen eine Verpflichtung unterschreiben, über Löhne und Arbeitsbedingungen zu schweigen. Wer nicht unterschreibt, wird nicht mehr beschäftigt. Die örtliche Bevölkerung leidet unter der Staubbelastung durch die offenen Gruben. Besondere Sorgen bereitet der Medet-Damm, der 200 Millionen Tonnen schwermetallhaltigen Abraumschlamms zurückhält. Wer wird den Damm instand halten, fragen sich die Einwohner*innen, wenn in fünf bis sieben Jahre die Grube erschöpft ist und die Firma sich zurückzieht?

Bergbau Asarel Medet
Foto: Bankwatch

Gold- und Kupfermine Chelopech, Bulgarien: Export von gifthaltigem Erz zur Verhüttung nach Namibien

Die kanadische Firma Dundee Precious Metals betreibt in Bulgarien die Chelopech Mine. Das Gold-Kupfer-Konzentrat, das sie produziert, enthält rund 5,5 % giftiges Arsenik. Da die bulgarische Regierung für die Verhüttung des Konzentrats die Abscheidung und Aufbereitung des Arseniks vorschreibt, exportiert die Firma das Konzentrat zur Weiterverarbeitung nach Namibien. Beschäftigte des namibischen Hüttenwerks zeigten bei Untersuchungen außerordentlich hohe Konzentrationen von Arsenik in Blut und Urin7.

Goldmine Amulsar, Armenien: Gefährdung von Landwirtschaft und geschützten Arten

Die kanadische Firma Lydian International betreibt die Entwicklung einer Tagebau-Goldmine in Amulsar in Zentralarmenien. Armenien ist Mitglied im Europarat und unterhält ein Abkommen zur verstärkten Partnerschaft mit der EU. Das soll Gold aus dem fein gemahlenen Erz mit hochgiftigem Cyanid herausgelöst werden. Wenn die Becken, in denen der Prozess abläuft, undicht werden, könnten die Gewässer der Gegend verseucht werden. Die örtliche Bevölkerung lebt vom Anbau von Marillenbäumen, vom Sammeln wilder Pflanzen, von Vieh- und Fischzucht.

Protest gegen die Goldmine Almusar
Foto: Bankwatch

Sie protestierte seit 2018 mit Blockaden gegen das Goldminenprojekt. Im Sommer 2020 durchbrach die Firma gewaltsam die Blockaden und begann, die Aktivist*innen mit Klagen einzuschüchtern. Das Minenprojekt könnte den Lebensraum von 76 geschützten Arten zerstören, unter anderem des extrem gefährdeten persischen Leoparden.

Persischer Leopard
Foto: Tea Farn via Pixabay

In mehreren der Fälle, die im Bericht genannt werden, stammt die Finanzierung dieser Abbaupraktiken von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie von der Europäischen Investitionsbank und damit von europäischen Steuergeldern.

Rio Tintos Lithiumprojekt in Serbien gefährdet Landwirtschaft und Naturschutzgebiete

Einen eigenen Bericht widmet Bankwatch dem Lithiumprojekt von Rio Tinto in Serbien10. Rio Tinto, einer der größten Bergbaukonzerne der Welt, projektiert seit 15 Jahren den Abbau des Lithium- und Borerzes Jadarit, benannt nach dem Fluss Jadar in Westserbien. Das Vorkommen wird auf 200 Millionen Tonnen geschätzt. Damit wäre es eines der größten der Welt und könnte 10 Prozent des globalen Lithiumbedarfs decken. . Die Bevölkerung dieses äußerst fruchtbaren Tals, die hauptsächlich von Landwirtschaft lebt, wehrt sich aber gegen die Pläne.

Foto: Autor nicht feststellbar

Rio Tintos Tochterunternehmen Rio Sava hat bis jetzt keine Informationen über die geplanten Technologien vorgelegt. Jadarit ist in seiner Zusammensetzung einzigartig, daher werden bisher bekannte Technologien abgewandelt werden. Diese beruhen auf Reaktionen mit Schwefelsäure und anderen Chemikalien unter Hitzeeinwirkung. Sollten bei einem Unfall giftige Chemikalien austreten, wie es 2016 am Liqi-Fluss in Tibet geschehen ist, könnten Flüsse, Bäche und Grundwasser kontaminiert werden. Der Konzern hat bisher keine Angaben über die Mengen an Schwefelsäure und anderen giftigen Stoffen gemacht, die zum Einsatz kommen sollen, es gibt bisher auch keine Angaben über die geplanten Produktionsmengen, die Mengen an Abraum und die geplanten Wasserentnahmen aus den Flüssen Jadar und Drina. Für eine Tonne Lithium werden 500.000 Liter Wasser benötigt. Diese Wassermengen würden den Landwirten für die Bewässerung ihrer Felder fehlen. Das Projekt soll sich insgesamt über 293 km²erstrecken, ein Gebiet, in dem sich auch vier Naturschutzgebiete befinden. Die konkret genutzten Flächen für Gruben, Verhüttung, Abraum, Straßen und andere Infrastruktur hätten eine Größe von 1.800 ha. Die Gegner*innen des Projekts sagen, dass 15.000 landwirtschaftliche Haushalte in der Stadt Loznica und der Gemeinde Krupanj bedroht wären, und die Gesundheit und das Wohlbefinden der Einwohner*innen von Loznica, Šabac and Valjevo beeinträchtigt würde. Die serbische NGO „Koalition für nachhaltigen Bergbau“ hat gegen die Klassifizierung des Projekts als im öffentlichen Interesse Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Nach letzten Meldungen hat die serbische Regierung im Jänner nach wochenlangen Bockaden und Straßenprotesten den Raumordungsplan für die Region Loznica widerrufen. Für die Umweltschützer*innen ist das ein Etappensieg, doch fürchten sie, dass dies nur ein taktisches Zugeständnis vor den anstehenden Wahlen im April sein könnte. Sie fordern ein gesetzliches Verbot des Lithiumabbaus11.

Protest gegen Lithiumabbau im Jadartal
Foto: Bankwatch

Lieferketten müssen offengelegt werden

Um sicherzustellen, dass die elektronischen Produkte, die so kritisch für das Erreichen der von der EU im Grünen Deal gesetzten Ziele sind, nicht in Verbindung mit Konflikten, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung stehen, ist es essenziell, die Lieferketten offen darzulegen. Vor allem, wenn man sich die Zahlen ansieht, mit welchem Zuwachs des Bedarfs an diesen Metallen die EU in den nächsten Jahren rechnet. In der Mitteilung zur Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen heißt es, dass die EU für die Batterien elektrischer Fahrzeuge und für die Energiespeicherung bis 2030 18 Mal so viel Lithium und 5 Mal soviel Kobalt wie heute brauchen wird, und bis 2050 60 Mal soviel Lithium und 15 Mal voviel Kobalt. Doch auch in diesem Dokument liegt der Fokus allein auf dem Ziel, den Bedarf an diesen kritischen Rohstoffen abzudecken und nicht darauf, sie nachhaltig zu beschaffen. Im Gegenteil sieht die Initiative sogar eine Beschleunigung und Erleichterung von Genehmigungsverfahren vor.8 Dies wird von Bankwatch kritisiert. Es wird zu Recht argumentiert, dass eine Beschleunigung der Verfahren einen rein ökonomischen Zweck hat, ohne grundlegende Probleme in der Rohstoffbeschaffung zu bekämpfen. Daher empfiehlt die Initiative Bankwatch allem voran, den Ressourcenverbrauch generell zu reduzieren, und sicherzustellen, dass Ressourceneffizienz entlang jedes Schrittes einer Warenkette geprüft werden soll. Darüber hinaus müssen ältere Bergbauanlagen saniert werden, um der Gefährdung der Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit aufgrund von toxischen Elementen entgegenzuwirken. Unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte wäre es außerdem vonnöten, dass betroffenen Gemeinschaften endlich legale Werkzeuge in die Hand gelegt werden, und das nicht nur innerhalb der EU-27.

Würden all diese Punkte berücksichtigt werden, so würde man auch den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung durch das Schützen von natürlichen Ressourcen, das Schaffen von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und das Verbessern von Nachhaltigkeit in Industrie und Innovation einen deutlichen Schritt näherkommen.9

Gesichtet: Martin Auer
Titelfoto:  Vlad Chețan via Pexels


1 Agora Energiewende and Ember. 2021. „EU Power Sector in 2020: : Up-to-Date Analysis on the Electricity Transition.“ https://ember-climate.org/wp-content/uploads/2021/01/Report-European-Power-Sector-in-2020.pdf.

2 CEE Bankwatch Network ist ein Zusammenschluss von Umwelt- und Menschenrechts-Organisationen in Mittel- und Osteuropa. Die Organsiation befasst sich, wie der Name sagt, mit dem Monitoring von Banken und Fonds. Eine der Partnerorgaisationen ist die österreichische NGO Südwind.

3 Europäische Kommission. 2019. „The European Green Deal.“ https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52019DC0640&from=EN.

4 CEE Bankwatch Network. 2021. „Raw Deal.“ https://bankwatch.org/wp-content/uploads/2021/01/RAW_DEAL.pdf.

5 Europäische Kommission. 2020. „Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa.“ https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0103&from=DE.

6 Europäische Kommission. 2020. „Änderung unserer Produktions- und Verbrauchsmuster: neuer Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft ebnet Weg zu klimaneutraler und wettbewerbsfähiger Wirtschaft mit mündigen Verbrauchern.“ https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420

7 O. Abrahams, S. Kgalamono, C. Nattey, N. Ndaba, D. Rees, K. Wilson, Preliminary Report on the Survey of Namibia Customs Smelter Workers, Tsumeb, Namibia, National Health Laboratory Service, National Institute for Occupational Health, August 2013. More information: Genady Kondarev, ‘Health reports confirmed widespread over-exposure to toxic arsenic at Tsumeb smelter in Namibia’, CEE Bankwatch Network, 22 December 2015.

8 Europäische Kommission. 2020. „Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken.“ https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0474&from=EN.

9 United Nations. 2021. „Ziele für nachhaltige Entwicklung.“ https://www.un.org/depts/german/millennium/SDG%20Bericht%202021.pdf.

10 https://bankwatch.org/publication/jadar-lithium-mine-serbia-a-raw-deal-ict-metal-mining-case-study

11 https://www.automobilwoche.de/article/20220123/AGENTURMELDUNGEN/301219969/rueckschlag-fuer-rio-tinto-serbien-verwirft-plaene-fuer-lithium-abbau-im-jadar-tal



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